Ich glaube an das Schöpferische in der Welt und im Menschen, dass die Kunst bestehen bleibt und dass es sich trotz allem lohnt in unserem Jahrhundert zu leben. Nicht kleinmütig werden, nicht sich von großen Sprüchen ins Boxhorn jagen lassen, zweifeln, lächeln, sich überraschen lassen, auch von sich selbst, mit geschärften Sinnen unsere Welt erleben.
Der irdische Zoo ist groß und hat Platz für viele Arten, die höheren davon sind unser Glück und unser Trost. Ich möchte sie Dichter nennen, die unser Welt auf eine neue Weise sehen, in Farben, Worten, Tönen und Gleichungen, wie wir sie noch nicht kannten, die einen Reichtum entfalten sondergleichen.
Ich glaube an die großen unserer Zeit, an die schöpferischen, künstlerischen Miterbauer einer neuen Welt, von der ich getrost annehme, dass sie nicht geringer ist als die, der so viele nachjammern. Ich glaube auch an die glühenden Provokateure unserer trägen Herzen, an die heiligen Narren, die uns wahrsagen, an die Müßiggänger, die flanieren oder in der Sonne liegen, an die Träumer, an die Einfältigen, an die geistigen Rebellen (nicht an die Ideologen), an die möglichst Freien und an die Kommenden, die wir noch nicht kennen, die im Stillen aber schon andere Fragen stellen. Ich sollte Namen nennen, das gibt eine lange Liste, die als Summe doch ganz gut ist – für die letzten fünfzig Jahre.
Also: Mies van der Rohe, Picasso, Klee, Gropius, Mondrian, Einstein, Charlie Chaplin, James Joyce. Arnold Schöneberg, Miró, Wols, Louis Armstrong, Bert Brecht, Saint John Perse, Paul Celan, Saul Steinberg, Luther Burbank, Apollinaire, Bonnard, Max Ernst, Brancusi, Giacometti, Gonzales, Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Aimé Césaire, Kafka, Dior, Charles Lindberg, Grock, Tristan Tzara, Albert Schweizer, Henri Rousseau, Wilhelm Uhde, Hemingway, James Ensor, Kandinsky, Elisabeth Bergner, Alvar Alto, Hélena Rubinstein, Strawinsky, Henry Miller, Henry Ford, Braque, Felix Krull, Kontiki, Haile Selassi, “Ella”, die Garbo, Chagall.
Ich weiß, ich weiß, die Liste ist anfechtbar, sie ist auch nicht vollständig, doch ich könnte sie beliebig fortsetzen. Nein, nicht beliebig. Es fehlen zum Beispiel Politiker und Kirchenfürsten und Generäle. Weil ich nicht an sie glaube. Dass es schwer ist, an etwas zu glauben in einer Zeit, in der viele alten Begriffe keine Gültigkeit mehr haben, die wir mit der nackten Vernunft nicht mehr begreifen, deren Sinn und geheime Ordnung wir kaum noch erfahren können vor lauter Bedrohung und Schrecken, vor sich auftürmenden schmutzigen Wolken, ich kenne auch diesen großen, verlorenen Zweifel, diese schwarzen Tage und Nächte, diesen bangen Kaninchenblick vor dem funktionierenden Chaos, die zitternde Gier, einer freundlichen Nachricht, die mit einem Schlag alles zum Guten wenden will, ich kenne diese Benommenheit, die wie eine stumme Glocke über uns hängt. Und dennoch, nur wir selbst können sie zum Klingen bringen, aber nicht mit der eifernden Zappelbewegung eines Glöckners, sondern mit leisen Obertönen. Aber da müssen wir Hinhören lernen, ganz gleich, ob wir Sender oder Empfänger sind. Dazu müssen wir in die Stille gehen und alleine bleiben können. Es kann jeder nur für sich selber glauben. Fremde Glaubensbekenntnisse sind keine Rezepte und wir sollen uns nichts vormachen lassen. Ich glaube an die Ausnahme, die die Regel bestätigt und an den Fehler im System. Ich glaube an keine Richtung, auch an keine Kunstrichtung. Aber dass die Kunst unserer Zeit anders aussehen muß, als die von 1890, das weiß ich. Ein halbers Jahrhundert schon lebt diese neue, so oft tot gewünschte Kunst. Nicht mal das Rokoko dauerte so lange. Und wie vielfältig sie ist, wie reich, wie nuanciert und voller Phantasie (siehe die Namensliste, die Unvollständige). Ich glaube an die schöpferische Kraft in der Kunst, aber nicht nur an die erste Garnitur, selbst noch an die Kleineren, die den Humus bilden, die die Luft schwängern mit Kunstbazillen und die für ein allgemeines geistiges Klima sorgen.
Unsere Atmosphäre, fortschrittsgläubig und technikhörig wie sie ist, muß mehr mit diesen anderen Bazillen angereichert werden, die aus den Bezirken der Kunst, der Träume, der Phantasie, des Schöpferischen, aus dem Reich der Muse und der Muße kommen. Der Kunst mehr Chancen geben unsere Zeit zu heilen, Schönheit zu schaffen, Feste zu veranstalten für unseren inneren Blick, ich glaube das hilft, das beglückt und das macht uns menschlicher als wir jetzt sind.
Heinz Trökes, “Daran glaube ich”, Hamburg 1957
1913 – Am 15. August in Hamborn/Rhein (heute zu Duisburg zählend) geboren.
1930 – Reise nach Holland und Luxemburg.
1932-1933 – Besuch der Kunstgewerbeschule in Krefeld.
1932 – Radtour durch die Schweiz, Italien, Frankreich und Luxemburg.
1933 – Abitur
1933-36 – Schüler von Johannes Itten in Krefeld.
1934 – Dreimonatige Reise mit dem Fahrrad durch Italien. Besuch der Kunststätten in Florenz, Rom, Neapel, Palermo und Venedig.
1936-39 – Als Maler in Augsburg. Lebensunterhalt durch Textilentwürfe bei J.P. Bemberg.
1937 – In Paris Begegnung mit Wassily Kandinsky.
1938 – Erste Einzelausstellung in der Berliner Galerie Nierendorf, die auf Veranlassung der Nazis geschlossen wird. Danach Ausschluß aus der Reichskulturkammer mit Ausstellungs- und Arbeitsverbot bis 1945. Reisen nach Wien, Budapest, Jugoslawien und Italien.
1939 – Übersiedlung nach Zürich, um von dort nach Holländisch-Indien (Indonesien) auszuwandern, was durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unmöglich wird. Rückkehr nach Deutschland.
1940 – Studium bei Georg Muche (Meisterklasse) in Krefeld.
1940 – Als einfacher Soldat bei der Flugabwehr in Berlin. In der Freizeit Besuch der Kunstschule von Max Dungert, Berlin. August 1944 desertiert und illegal in Berlin gelebt.
1945-1946 – Mitbegründer der Berliner Galerie Gerd Rosen, der ersten privaten Kunstgalerie nach dem Krieg in Deutschland. Bis 1946 deren künstlerischer Leiter. Mehrere kunsthistorische Aufsätze, darunter ‘ Moderne Kunst in Deutschland’, ‘Der Surrealismus’ (in: Das Kunstwerk, 1. Jg.,1946/47, H.8/9) und ‘Moderne Kunst und Zeitbewusstsein’ (in: Bildende Kunst, 2. Jg., 1948,H.3).
1946-1948 – Kosmonautische Bilder wie ‘Die Mondkanone’, ‘Terrain der Kosmologen’, ‘Sphärische Kontraste’ und ‘Zwei Welten’.
1947 – Februar, Neukonstituierung des Deutschen Künstlerbundes; Vorstand: Karl Hofer, Karl Schmidt-Rotluff, Ernst Fritsch, Heinz Fuchs, Heinz Trökes, Gustav Seitz, Renée Sintenis, Richard Scheibe, Hans Uhlmann.
1947 – Ruf an die Staatliche Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar (gemeinsam mit Mac Zimmermann). Nach einem Semester Beendigung der Lehrtätigkeit. Beteiligung an der Ausstellung L’ Art Allemand Moderne – Deutsche Kunst der Gegenwart’, Baden-Baden.
1948 – Mitglied der Neuen Gruppe, München und der Gruppe Zone 5, Berlin.
1948-1949 – Während der Blockade von Berlin Aufenthalt in Rodenbach bei Neuwied am Rhein, danach wieder in Berlin.
1949 – Heirat mit Renata Severin. Gründungsmitglied der Berliner Neuen Gruppe. Artikel in der Zeitschrift ‘Les Temps Modernes’, Paris (Dir. Jean Paul Sartre) über ‘La peinture et le public en Allemagne. L’ Inflation d’expositions et le scandale qu’ elles provoquent’. Einzelausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum, Krefeld. Beteiligung an der Ausstellung ‘Kunst in Deutschland 1930-1949’, Zürich.
1950-51 – Preisträger beim Blevin-Davis-Wettbewerb, München. Aufenthalt in Paris. Freundschaft mit Wols und Paul Celan. Anschluß an die Rixes-Gruppe mit Matta, Serpan, Riopelle, Zañartu u.a.. Teilnahme an dem wöchentlichen Jour Fixe um André Breton (Perét, Duchamp, Toyen, Ernst, Tamayo, Hérold).
1952 – Anfang des Jahres Auswanderung nach Ibiza/Spanien, wo zahlreiche Inselbilder, oft topographischen Charakters, entstehen. Preisträger beim Hallmark-Wettbewerb, New York. Einzelausstellung in der Galerie Jeanne Boucher, Paris.
1953 – Einzelausstellungen im Museum von der Heydt, Wuppertal, und im Städtischen Museum, Braunschweig. Beteiligung an der Biennale in São Paulo.
1954 – Geburt des Sohnes Jan Manuel. Reisen von Ibiza nach Zürich, Berlin, Paris und Barcelona. Ausstellungsbeteiligung: ‘duitse kunst na 1945’, Amsterdam, Stedelijk-Museum.
1955 – Kritikerpreis für Bildende Kunst.
Beteiligung an der I. documenta, Kassel. Lehrangebote der Kunsthochschulen und -akademien in Berlin, Karlsruhe, Zürich, Stuttgart und Frankfurt, die er aber nicht annimmt.
Reisen von Ibiza nach Madrid, Alicante und Toledo. Einzelausstellungen im Städtischen Kunstmuseum, Duisburg und in der Galerie Buchholz, Madrid.
1956 – Kunstpreis der Stadt Berlin.
Reisen von Ibiza nach Andalusien und Marokko. Einzelausstellungen im Haus am Waldsee, Berlin und im Kunstverein Hamburg.
1956-1958 – Leiter der Abteilung für Freie Graphik der Staatlichen Hochschule für bildende Kunst in Hamburg.
1957 – Mosaik auf der Triennale in Mailand.
1958 – Dreimonatige Reise nach Ceylon und Besuch von Kairo, Djibouti, Aden und Bombay. Auf einer Gummiplantage entstehen Aquarelle für den Band ‘Singhalesische Miniaturen’. Teilnahme an der Biennale in Venedig. Glasfenster auf der Interbau im Hansaviertel, Berlin. Rückkehr nach Ibiza.
1959-1960 – Ein Jahr auf der Insel Aegina in Griechenland. Nach der starken Farbigkeit der Pariser und Ibiza-Jahre entstehen im differenzierten Licht Griechenlands und noch bis 1966 stille Bilder in reduzierten und athmosphärischen Farben. Häufig in Athen, Reisen nach Kreta, Rhodos, auf den Peleponnes und nach Istanbul.
1959 – Teilnahme an der II. documenta, Kassel.
1960-1961 – Über Berlin, Wameln (Radierungen ‘Wamelner Folge), Paris, Barcelona zurück nach Ibiza. Drei Teppichentwürfe, Ausführung durch die Firma Anker-Teppiche, Düren.
1961 – Mitglied der Akademie der Künste, Berlin.
1962-1965 – In wechselndem Turnus Ibiza und Stuttgart. Lehrtätigkeit an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste, Stuttgart.
1964 – Ausgedehnte Reisen durch Lateinamerika: Curaçao, Caracas, Peru, Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Panama, Guatemala, Mexiko und New York. Im Anschluss daran entsteht der Bildband „Eldorado”. Karl-Ströher-Preis der 1. Internationale der Zeichnung, Darmstadt. Einzelausstellung im Museo de Bellas Artes, Caracas.
Teilnahme an der III. documenta, Kassel.
1965 – Ruf an die Hochschule für bildende Künste, Berlin (heute UDK). Professur/Leiter der Klasse für Freie Malerei. Seit dem wieder in Berlin lebend und auch auf Ibiza.
Kirchenfenster in Leonberg bei Stuttgart. Reise durch Nord- und Südspanien, nach Madrid und Marokko. Einzelausstellungen in den Kunstvereinen von Pforzheim, Mannheim und Oldenburg.
1966 – Experimente mit Georg Muche an einem Helioclichographen in Kassel, um elektrisch gesteuerte Drucke herzustellen. Reise nach Portugal. Ablösung der stillen Bilder durch starkfarbige mit folkloristischen Elementen.
Einzelausstellung im Museu de Arte Moderna (MAM), Rio de Janeiro.
1967 – Reise nach Argentinien, Brasilien und Senegal. Einzelausstellung im Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg.
1968 – LSD-Malversuche mit Dr. Hartmann, München. Ehrenmitglied der Accademia Internazionale ‘Tommaso Campanella di Lettere-Arti-Scienze’, Rom. Einzelausstellung im Landes-museum Oldenburg.
1968-1970 – 64-farbige Illuminationen zur achtbändigen Gesamtausgabe ‘Crébillon’.
1969 – Reisen nach Kuba und Dänemark. Einzelausstellung im Kunstverein Mannheim.
1970 – Reisen nach Äthiopien, Ankara und Anatolien.
1971 – Ablösung der vielfarbigen und oft großformatigen Bilder durch zweifarbige, kleinere Formate. Zweite Äthiopien-Reise und zweite Südamerika-Reise: Bolivien, Peru, Panama, Honduras, Guatemala, Mexiko.
1972 – Seminar für freie Malerei an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg. Reisen nach Tunesien, Algerien, Zentral-Sahara.
1973 – Schwarzweiß-Collagen und Chinatuschen, mehrere Skizzenbücher. Einzelausstellung im Landesmuseum Oldenburg.
1974 – Viermonatige Asien-Reise: Ceylon, Burma, Thailand, Malaysia, Indonesien, Nepal, Indien, Pakistan, Afghanistan, Iran.
1975 – Reisen in die Schweiz, nach Frankreich, Portugal und Spanien.
1976 – Vier Monate auf Weltreise: Israel, Thailand, Bali, Australien, Süd-Pazifik, Chile, Argentinien.
1977 – Vorträge im Tel-Aviv-Museum und im Israel-Museum in Jerusalem über ‘Kunst in Deutschland unter Hitler und danach’. Reise in den Süd-Jemen und zu den Lehmhochhäusern im Wadi Hadramaut.
1978 – Werden vier Gobelins in der Fränkischen Gobelin-Manufaktur nach Motiven der Mappe ‘ Karneval in … ‘ gewebt. Farbgebung eines 17-stöckigen Wohnblocks in Berlin-Schöneberg. Beendigung der Lehrtätigkeit an der Hochschule der Künste Berlin. Ägypten-Reise.
1979 – Reisen nach Zypern und Kreta. Einzelausstellungen in der Akademie der Künste, Berlin, und im Wilhelm-Lehmbruck-Museum, Duisburg.
1983 – Einzelausstellung in der Nationalgalerie Berlin.
1993 – Am 15. August wird Heinz Trökes die Mercatorplakette für besondere Verdienste um die Stadt Duisburg von Josef Krings, dem Oberbürgermeister der Stadt, verliehen.
1997 sterben am 1. April Renée und am 22. April Heinz Trökes in Berlin, wo beide seit 1965 ständig lebten.